Sammlungssuche
Kontakt
Ansprechpartnerinnen:
Franziska Schilling
Claudia Zachariae
Tel.: +49 (0)30 314-23116
Charkiw - Requiem
Fotografien von Stanislav Ostrous
Kuratiert von Konstantin Akinsha
|
mit Unterstützung von: |
Palast der Arbeit (Architekt: Ippolit Pretro, 1916)
© 2022 Stanislav Ostrous
Der Osteuropawissenschaftler Karl Schlögel nannte Charkiw einen Pilgerort für alle, die wissen wollten, wie die Welt von morgen aussehen sollte. Gemeint war das Charkiw der Zwischenkriegszeit, das schon vor der bolschewistischen Revolution ein wohlhabendes Zentrum war und das ab 1919, als Hauptstadt der Ukrainischen Sozialistischen Sowjetrepublik, zu einem architektonischen und städtebaulichen Vorzeigeobjekt der sowjetischen Moderne wurde. Die gigantischen Gebäude im konstruktivistischen Stil waren nicht nur für die Ukraine einzigartig und stellten die zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichteten Häuser des Historismus und des Jugendstils in den Schatten, sondern sie sind ein wertvoller Teil des gemeinsamen europäischen Erbes.
Haus des Kaufmanns Ryzhov (Architekt: Boleslav Mikhailovsky, Ende 19. Jhdt.)
© 2022 Stanislav Ostrous
Im Zweiten Weltkrieg wurde Charkiw zerstört und danach wieder aufgebaut. Derzeit erfolgt die zweite Zerstörung. Nur 27 Kilometer von der russischen Grenze gelegen, war die mit mehr als 1,4 Millionen Einwohner*innen zweitgrößte Stadt der Ukraine eines der ersten Ziele russischer Angriffe. Sie verwandelte sich in ein Schlachtfeld. Viele Bewohner*innen flohen.
Verwaltungsgebäude (unbek. Architekt, nach 1930)
© 2022 Stanislav Ostrous
Die Ausstellung „Charkiw-Requiem“ zeigt die Chronik dieser Zerstörung aus der Perspektive des bekannten ukrainischen Fotografen Stanislav Ostrous, der vor dem Krieg an der Staatlichen Kulturakademie Charkiw Fotografie lehrte und sich mit konzeptioneller Fotografie beschäftigte. Seit dem 10. März dieses Jahres dokumentiert er in seinen Bildern die Vernichtung seiner Heimatstadt. An diesem Tag schlugen im Stadtzentrum Bomben und Raketen ein, und ein großer Teil der Bevölkerung verließ die Stadt. Auch in den Vororten wurde erbittert gekämpft. Seit diesem Tag durchstreifte Ostrous die leeren Straßen, betrat die Ruinen der gerade zerstörten Gebäude und suchte bei Sirenenalarm Schutz in behelfsmäßigen Luftschutzkellern oder in solide aussehenden Vorräumen der Häuser.
Dem Fotografen gelang es, sich eine kugelsichere Weste zu besorgen, die einen gewissen Schutz vor den Bombensplittern bot. Er hat nicht die Absicht, seine Heimatstadt zu verlassen und will die tragische Foto-Chronik ihrer barbarischen Zerstörung fortsetzen. Die Fotos zeigen den hilflosen Blick des Fotografen auf einstürzende Mauern, auf leere Fensteröffnungen, die an die Augenhöhlen menschlicher Schädel erinnern, auf die Ruinen zerstörter architektonischer Pracht – und sie erzählen uns die Geschichte.
Eröffnung am 20.6.2022, 18 Uhr, Ernst-Reuter-Platz 1
Es sprechen:
Dr. Hans-Dieter Nägelke, Architekturmuseum
Prof. Dr. Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin
Dr. Konstantin Akinsha, Kurator